Unsere Júlia ist geborene Ungarin. Wie alle Ungarn ist sie besonders stolz auf den Balaton und wie alle ungarischen Triathleten wollte sie einmal den Balaton mit dem Fahrrad umrunden. Aus diesem Grunde hat sie in unserem Verein nach Mitfahrern gesucht. Da es von Senftenberg bis zu Júlias Heimatort Kesztely am Balaton rund 750 km sind und für die Umrundung zwei Tage gebraucht werden, hatte sich Júlia für uns die Osterfeiertage herausgesucht. Sie selber war mit ihrer Familie schon 14 Tage vorher dorthin zu ihren Eltern gefahren. Trotz des schönen Planes fanden sich nur zwei Mitfahrer, Ole und Klaus, also ich. Ole bot großzügig an, seinen Fahrradanhänger für die Balatonrunde mitzunehmen um das Gepäck für uns drei zu transportieren. Dieses Angebot war mir äußerst suspekt, schließlich war das meine x-te Radreise mit Ole. Davon später mehr.
Da 2 Fahrräder plus Anhänger nicht in Oles Audi passen, musste ich mit meinem Kleintransporter fahren. Als Starttermin hatte Ole den Vormittag am Gründonnerstag vorgesehen. Damit ich die lange Strecke durchhalte, wollte ich in der Nacht zuvor schön schlafen, d.h. am Mittwoch schön müde einschlafen. Also bin ich wie jeden Mittwoch früh um 5 Uhr aufgestanden, um zum Joggen und Frühbaden mit Ines pünktlich 6:30 Uhr am Buchwalder FKK-Strand zu sein.
Das war keine gute Idee. Irgendwann am Vormittag rief Ole an und riet zur Nachtfahrt, um dem zu erwartendem Osterverkehr auszuweichen mit Start 24 Uhr. Etwas überpünktlich war ich schon 23 Uhr bei Ole in der Hoffnung auf einen starken Markt-15-Kaffee. Ole war noch gar nicht zu Hause, kam aber bald. Punkt 0 Uhr ging es endlich los Richtung Dresden, Prag, Brünn, Bratislava. Die Autobahnen waren auch zu diesen Nachtzeiten voller LKW. In der Tschechei goss es teilweise wie aus Kannen.
Irgendwann kurz vor der Slowakei meldete mein Auto Probleme mit dem Reifenluftdruck und fing sobald an zu schlingern. Zum Glück gab es gleich eine kleine Parktasche: Ein totaler Platten rechts hinten. Zum Glück hat mein Kangoo ein vollwertiges Ersatzrad. Im Räder wechseln geübt war mit Oles Leuchthilfe mittels Handy die Sache schnell erledigt.
Ein mulmiges Gefühl stellte sich auf der Weiterfahrt ein, da durch die nun ungleichen Reifen auf der Hinterachse die Luftdruckfehlermeldung weiter erhalten blieb. Nach über 24 Stunden Aktivität kam dann die Müdigkeit und Ole durfte die letzten 100 km auch mal ans Lenkrad.
Endlich früh bei Júlias Eltern angekommen, wurden wir erst von Júlia und 4 Hunden und dann von Júlias Eltern begrüßt. Júlia überreichte uns beiden einen Kranz aus getrockneten Paprikaschoten sodass ich mir fast wie ein Hawaii-Finisher vorkam. Es gab typisches ungarisches Frühstück und später ein Zweigänge-Menü zum Mittagessen. Dann ging es in unsere Pension. Dienstgradmäßig bekam Ole als stellvertretender Vereinspräsident das große Bett im Zimmer und ich die harte Couch.
Während Júlia und Ole das örtliche Hallenbad aufsuchten, konnte ich endlich etwas Schlaf nachholen und per Threema meine erfolgreiche Ankunft vermelden. Dabei entdeckte ich die Sturmwarnung des Wetterdienstes für Ungarn am nächsten Tag.
Der nächste Tag, Karfreitag, begann zuerst ganz entspannt. Júlias Vater bekam meinen Autoschlüssel, damit er sich um einen neuen Reifen bemühen kann. Júlia kam mit zum Frühstück in die Pension. Doch danach gab es Stress. Es gab eine strenge Gepäckkontrolle. So musste ich z.B. meinen Rasierapparat und mein Handtuch wieder aussortieren, es durfte nur eine Zahnpastatube für uns drei mitgenommen werden und nur ein Fahrradschloss usw. Auch mein Fahrradnavi wurde abgelehnt, was mir dann einen Tag später 10 km Umweg mit einem schönen Anstieg einbrachte.
Dann ging es endlich los, um den Balaton entgegen der Uhrzeigerrichtung zu umrunden, also auf der Südseite in Richtung Osten. Es herrschte ein West-Süd-West-Sturm, also starker Rückenwind. So richtig zügig ging es nicht voran. Bald kam Júlias Lieblingseisdiele, dann ein Freiluftgaststätte.
Aber schließlich nach 94 km kamen wir in Balatonvillagos an, wo Júlia eine Ferienwohnung mit zwei Schlafzimmern, Wohnküche und Balkon mit Balatonblick gemietet hatte. Während Júlia und ich jeweils ein Bett hatten, nächtigte Ole auf dem Fußboden der Wohnküche. Früh machte ich für alle einen Espresso, denn Júlia hatte ohne Frühstück gebucht. Das hatte sie 25 km weiter auf der Runde in einem Café für uns gebucht.
Danach ging es zur Sache, d.h. auf für mich insgesamt 121 km auf dem hügeligen Nordteil des Balatons gegen den teils heftigen Wind. Dabei nahmen wir auch die Halbinsel von Tihany mit, wo wir uns kurz aus den Augen verloren, weil Ole plötzlich vom gelb markierten Rundweg abbog und Straße fahren wollte. Ich landete ohne Navigation an der Spitze der Halbinsel und musste wieder auf dem gleichen Weg zurück, etwas ratlos, da ohne Navi. Weiter nach etwa 10 Kilometer sah ich am Wegesrand eine Tibetfahne auf einem Fahrradanhänger und daneben ein Freiluftcafé. Da saßen die beiden und ließen es sich wohlergehen. Es gab dann noch eine weitere Rast an einer Tankstelle. Pünktlich mit Eintritt der Dämmerung hatte wir unsere Runde vollendet und waren wieder in Kesztaly.
Im Pensionshof stand mein Kangoo auf zwei neuen Reifen, für die Júlias Vater gesorgt hatte. Da war die Freude noch größer. Am nächsten Tag, dem Ostersonntag gab es für mich früh um acht einen Schock, kein Frühstück stand in der Pension bereit. Die liebe Chefin Gisela hatte die Umstellung auf Sommerzeit vergessen. Nach dem verspäteten Frühstück fuhren Ole und ich ganz entspannt in die Nachbarstadt Heviz, wo sich der weltgrößte Thermalsee befindet. Júlia hatte dort für Ole eine Massage am Osterfeiertag gebucht. Ich konnte derweilen draußen in der Sonne einen Kaffee genießen, während aus dem Massageraum dampflokartige Geräusche kamen. Wir entspannten uns danach im Kurpark.
Der Ostermontag war ein harter Tag für mich. Ole hatte mittels Komoot eine 85-km-Runde durch die Berge herausgesucht. Ich durfte diesmal das Gepäck in der Ortliebtasche transportieren. Ole ohne Anhänger war somit bergauf für mich selbst im Windschatten nicht zu halten. Die Orte an der Strecke waren so gar nicht touristisch geprägt, ganz typisch ungarisch. In einer ganz kleinen Dorfkneipe machten wir Rast bei einer Cola und teilten uns das mitgebrachte Wurstbrötchen. Sofort setzten sich ein paar Leute hinzu und unterhielten sich nett mit uns. Gleich danach sprach mich auf der Straße eine junge schwarzäugige Traumfrau an, das erste Mal wieder seit 50 Jahren. Leider wollte die Ukrainerin nur Geld. Am Abend führte uns Júlia in einen Weinberg, wo es bei einem ungarischen Sternekoch ein Menü aus Suppe und Hirschbraten mit Pilzen gab.
Am nächsten Tag fuhren wir entspannt nach dem Frühstück wieder mit meinem Kangoo zurück nach Deutschland auf neuen Reifen. Ich bin die ganze Strecke ohne große Pause durchgefahren einschließlich großer Staus in Prag. In Ortrand kam Danny hinzu und wir aßen in der Ortrander Pizzeria zu Abend.
Klaus