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Rando Imperator - 2025

Rando Imperator – Ein Brevet, vier Platten und vier Helden auf der Via Claudia Augusta

1 Start MUC an der IsarWenn der Wecker um 2:30 Uhr klingelt und man freiwillig um 4:30 Uhr mit dem Rad an der Isar losrollt, dann muss es schon etwas Besonderes sein: Der Rando Imperator – ein 650 km langer Brevet mit fast 4000 Höhenmetern über die Alpen, entlang der antiken Römerroute Via Claudia Augusta, von München nach Ferrara. Für mich war es die Premiere in der Brevet-Welt – und sollte zugleich die längste Strecke werden, die ich je am Stück gefahren bin.

Vereint im Carboloading, getrennt durch Platten

Schon am Freitag bei der Startnummernausgabe lernte ich meine Mitfahrer kennen: Maihou (alter Rando-Hase), Luki (mit Erfahrung) und Daniu (Premiere wie ich). Nach standesgemäßem Carboloading beim Italiener ging’s Samstagfrüh pünktlich um 4:30 Uhr an den Start – zehn Minuten später dann die erste Panne bei Luki. Ein Vorgeschmack. Egal, da wird das Feld eben von hinten aufgerollt.

In Wolfratshausen begrüßte uns der Sonnenaufgang über den nebligen Auen der Loisach, später in Großweil feuerten uns Ralph, der mich netterweise um 3 Uhr morgens nach München gebracht hatte, und seine Frau an. In Farchant wartete der erste Kontrollpunkt. Kurze Riegelpause, die Beinlinge ausziehen und noch fix den begehrten Stempel für's Brevet-Kärtchen abholen und schon ging es weiter. Ab Biberwier begann die Rampe über den Fernpass und dann erstmal weiter durch Tirol Richtung Inn-Tal.

Die Norbertshöhe: Ein Pass, drei Positionen, vier Interpretationen

Kurz vor Nassereith hatte dann auch ich einen Platten und zum allergrößten Pech auch noch einen defekten Ersatzschlauch. Dank Maihou konnten wir weiterrollen, doch in Zams mussten wir erstmal bei Intersport den halben Laden leerkaufen (Notiz an mich: CO₂-Patronen kann man nie genug haben). Später auf den ersten 50m im Anstieg zur Norbertshöhe hatte Luki erneut Plattfuß – inzwischen eine fast schon professionelle Disziplin. Inzwischen routiniert wechselten wir den Schlauch und weiter ging's. Maihou und Daniu hatten ihre Fahrt schon fortgesetzt, um nicht unnötig Zeit auf Luki und mich am Anstieg zu verlieren.2 Penzberg im Hintergrund die Zugspitze

Während ich mich auf dem Anstieg zur Norbertshöhe anschließend fahrerisch austoben konnte und mich Fahrer für Fahrer nach oben schraubte, suchte ich vergeblich nach Daniu – der mir, wie sich später herausstellte, längst davongefahren war und oben ein Päuschen fürs "Pass"foto eingelegt hatte. Oben auf dem Reschenpass – inzwischen auf 1500 m Höhe – wartete dann Cola, Pizza Margherita und ein unerwartetes Comedy-Highlight: Die Bedienung stellte ein Glas Cola auf den Tisch, drehte sich kurz um – und Luki, vom Durst geplagt, leerte es in einem Zug. Als sie sich wieder umdrehte und die restlichen drei Gläser brachte, murmelte sie irritiert: „Oh, eines fehlt ja noch…“, und verschwand nochmal.

Schussfahrt entlang der Etsch und Pasta aus der Tupperdose

In Italien angekommen und nachdem wir den Reschensee hinter uns gelassen hatten, folgte die rasante Abfahrt ins Etschtal. Vorbei an Glurns Richtung Meran veränderte sich die Landschaft vom alpinen hinzu endlosen Apfelplantagen. Dann Schrecksekunde in Meran. Beim Zickzack durch die Stadt war ein entgegenkommender Radfahrer kurz unaufmerksam und ich musste, um einen Zusammenstoß mit einem Zaun zu vermeiden, eine Vollbremsung hinlegen. Ergebnis: Unfall vermieden, allerdings ein Bremsplatten am Hinterrad, welcher sich glücklicherweise nicht negativ auf den Rest der Strecke auswirkte. Gegen 19 Uhr erreichten wir in Bozen den nächsten Kontrollpunkt – samt Tasche, frischem Trikot und dem vielleicht besten Tipp des Tages: vorgekochte Nudeln aus der Tupperdose. Danke dafür, Maihou!

Nachtschicht mit Gegenwind, Platten Nr. 3 und Cappuccino um halb zwei

3 Panne Nr4 Nachts Naehe TrentoMit frischem Outfit und vollem Magen starteten wir in die Nacht. Ich übernahm gern die Führungsarbeit bei doch recht stürmischem Gegenwind. Meine Mitfahrer dankten es mir später im Ziel.

Um 0:30 Uhr dann wieder das vertraute „Platten!“ – Luki zum Dritten. Inzwischen saß jeder Handgriff. Um 1:30 Uhr erreichten wir Avio – Kontrollpunkt, Carepaket mit Banane und belegter Semmel und der erste Cappuccino in Italien. Danach setzten wir unsere Fahrt in Richtung Mantua fort. Kurz vor Sonnenaufgang dann der Notfall-Powernap auf einem Spielplatz. Während Daniu neue Energie tankte, wurde ich von Mücken gepiesackt – mein persönlicher Tiefpunkt.

Von Parmesanstückchen und der „saufaden“ Po-Ebene

In Mantua gab’s leider noch kein Risotto. Dafür ist dieser Kontrollpunkt bekannt und geschätzt. Tja, wir waren einfach zu flott unterwegs. Immerhin gab's schon Banane und ein paar Streifen Parmesan. Bei dem inzwischen angehäuften Kaloriendefizit zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein aber immerhin. Und das Ziel war nun schon zum Greifen nah. Noch knapp 100km. Das ist ja nicht viel mehr als eine typische Donnerstags-Cappuccino-Runde nach Feierabend.

Doch es folgte die mental zähste Etappe: 60 km kaum Abwechslung, richtig schlechte Straßen, flirrende Hitze. Die „saufade Fahrt am Po“. Ich merkte, wie nach 27 Stunden die Konzentration langsam schwand – aber auch, dass wir es fast geschafft hatten. Beim Kontrollpunkt in Sermide wurden wir schon erwartet, beim Live-Tracking fieberte man mit. Die Italiener sind eben eine Radsportnation. Jetzt noch 42 km.

Auch die nicht ganz ohne: ein gut 10 km langer Erlenhain, dessen Bäume in voller Blüte standen und den Radweg mit dichten weißen Blütenflocken bedeckten. Gleichzeitig hatten ihre Wurzeln den Asphalt in fiese Stufen verwandelt – eine letzte kleine Prüfung für Material und Konzentration. Aber dann: Ferrara. Zielbogen. 12:00 Uhr. Gänsehaut.

Fazit: Ein römisches Epos auf zwei Rädern

Wir vier sind als Team gestartet und als Team angekommen. Die Stimmung unterwegs war großartig – auch bei Panne Nummer vier, die kurzzeitig für Seufzer, aber nie für Frust sorgte. Zwischendurch gab’s Riegel, Gels, Tankstellenstopps – und am Ende natürlich: ein Zielbier.

Mental ging’s mir durchgehend gut. Ich hatte mir die Strecke in die Etappen zwischen den Kontrollpunkten eingeteilt – und so rollte sie einfach weg. Von Vorteil war, dass ich den Streckenteil bis Bozen schon vom letztjährigen Alpencross kannte. Klar, ein paar Stellen an meinem Körper taten weh – aber Muskelkater am nächsten Tag? Fehlanzeige. Stattdessen: Stolz. Dankbarkeit. Und das Gefühl, etwas richtig Großes geschafft zu haben.

Insgesamt waren wir 31 Stunden unterwegs – davon 24 Stunden in Bewegung auf dem Rad.4 Im Ziel in Ferrara

Und die wichtigste Erkenntnis: Man wächst mit der Strecke – und manchmal sogar über sich hinaus. Der Rando Imperator ist dabei kein Rennen, sondern eine Entdeckungsreise durch Landschaften, Kulturen, Kulinarik und Menschen. Und eine unglaubliche Reise zu seinem Innersten.

Matthias

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