Wir freuten uns, 3 von 1.070 Startplätzen für das Sundschwimmen, von Altefähr nach Stralsund, erhalten zu haben. Nicht jeder hatte das Glück, wie z.B Maria und Justin. Nach 5 min Onlinezeit waren die Plätze vergeben. So trudelten wir, die da waren Petra, Sohn Max und ich der Mario am Vorabend in Stralsund ein, um unsere Startunterlagen zu holen. Max brachte noch Sebastian einen Kumpel aus Dresden mit. Hier erfuhren wir, dass auf Grund der Strömungsverhältnisse nicht der Sund überquert und damit nicht in Altefähr gestartet wird, sondern parallel zum Festland ab Paarow geschwommen wird.
Es war kühl am Wettkampftag, die Außentemperaturen betrugen 17 °C, die Wassertemperatur wurde mit 16 °C angegeben. Dies ist die untere Grenze für die Wettkampfdurchführung. Geschwommen wird hier generell ohne Neo. Zeitlich auf den letzten Drücker begaben wir uns zu den Bussen, welche uns zum Start bringen sollten. Jetzt verstand ich auch warum alle uns drängten zum Transfer zu kommen. Es warteten dort schon 1.066 Sportler (eigentlich 200 weniger) in 20 Bussen auf uns.
Das Einbalsamieren der Körper vor dem Transfer war untersagt. Ich habe lange überlegt, ob und wie ich meine Körperwärme länger halten könnte. Der Plan war letztendlich, wie schon im Senftenberger See mehrfach praktiziert, eine dicke Schicht Gänsefett aufzutragen. Doch hatte ich im Discounter nur Schweineschmalz gefunden und gekauft. Petra hat mir dann erklärt, dass das ja gar nicht geeignet ist, denn Schweine könnten im Gegensatz zu Gänsen nicht schwimmen. Schließlich ließ ich mich vom Mainstream anstecken und verwendete Vaseline.
Dann kam der erste Wasserkontakt mit dem Fuß. Spätestens jetzt hätte Klaus seine dicke rote SbV-Jacke angezogen und sich nach dem Standort des Wärmezeltes erkundigt. Doch es gab kein zurück. Nach einem misslungenen Countdown des Veranstalters ging es vollständig in die Ostsee.
Solch ein Gefühl der Kälte kannte ich vorher nicht. Es zog sich alles bei mir zusammen, Falten waren sicher nicht mehr am Körper vorhanden. Sofort schossen mir Gedanken durch den Kopf, wie: hoffentlich muss ich nicht noch gegen Eisschollen kämpfen, bin ich hier wirklich freiwillig oder ohne den Salzgehalt wäre der Sund längst zugefroren. Das sollen hier 16°C sein? Niemals! An einer Dreieratmung, wie bei mir üblich, war überhaupt nicht zu denken. Die Kälte sog die gesamte Energie aus meinem Körper. Dummerweise hatte ich die Schwimmbrille auch noch von innen mit Vaseline eingefettet. Dafür war sie wahrscheinlich noch dichter und frierte nicht so, aber die Sicht war unmöglich. Neben mir waren fast ausschließlich Brustschwimmer im Wasser. Beim Triathlon ist das ja ein eindeutiges Zeichen, dass man sich ganz hinten befindet. Ich denke aber, hier ist es etwas anderes. Die Brustschwimmer haben einen großen Vorteil, der Kopf ist nicht ständig unter Wasser und der Verstand wird somit nicht unterkühlt. Ich nutzte die Brustschwimmer als Orientierung.
Entweder ich gewöhnte mich an das eisige Wasser oder eine Lähmung des Körpers setzte ein. Wahrscheinlich war es das Zweite. Ich schwamm so vor mich hin, ohne meine Körperteile noch richtig zu spüren. Auch hatte ich kein Zeitgefühl mehr. Irgendwann dachte ich, es muss doch hier auch ein Ziel geben, und hielt inne um zu schauen. Tatsächlich durch meine fettige Schwimmbrille konnte ich noch zwei Bojen und sogar den Ausstieg erkennen. Just in diesem Augenblick legte ein Boot bei mir an und die Insassen erklärten mir, dass der WK auf Grund der Kälte abgebrochen wurde und ins Boot steigen solle. Normalerweise käme so etwas 200 m vor dem Ziel für mich überhaupt nicht in Frage. Doch auch zwei Badekappen verhinderten nicht das Auskühlen des Verstandes. So ließ ich mich bis zum Wasserausstieg fahren und taumelte nach 1 h 34 min durchs Ziel. Warmer Tee wurde mir gereicht, nur trinken ging nicht, weil vor lauter Zittern nichts im Becher blieb.
Ich traf Max und Sebastian, welche schon eine halbe Stunde im Ziel waren. Die sahen meinen blaugefrorenen Körper und schickten mich erstmal zum Duschen. Hier war das Wasser schön warm, nur keiner wollte von der Dusche wieder weg. Ich machte mir Sorgen um Petra, doch als ich vom Duschen kam, war sie bereits da. Auch sie wurde mit Zielsichtkontakt aus dem Wasser geholt. Sie befand sich ca. 200 m hinter mir. Petra ging es sichtlich besser als mir. Am meisten ärgerte ich mich, dass ich auch noch das Essen verschüttete. Da bekam man schon mal seine Kartoffelsuppe mit Bockwurst sogar ohne Essensgutschein und kann ich es nicht nutzen.
Wir krochen dann noch in den Luftschlauch vom Wärmezelt und allmählich wurde uns dann doch wieder warm.
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Später im Zelt wurden Petra und ich mitten in der Nacht plötzlich wach und konnten nicht mehr schlafen. Der Grund, es tat einfach alles weh. Ich ging in mich und meinen ganzen Körper von oben nach unten und von unten nach oben durch. Es muss doch irgendeine Stelle geben, welche keine Schmerzen beinhaltet. Schließlich fand ich sie. Es war die Zunge und ein paar Zähne.
Fazit
- Paul gefiel die Veranstaltung und fragte Petra und mich, ob wir nächstes Jahr auch wieder dabei sind. Wir sind ja für Abenteuer immer zu haben und sicher auch keine großen Frostbeulen. Aber noch einmal möchten wir so etwas unseren Körpern nicht antun.
- Es war trotzdem ein sehr schönes verlängertes Wochenende an der Ostsee.
Nachtrag
- Schweine können doch schwimmen. Das wurde jedenfalls bei der Sendung mit der Maus nachgewiesen.
- Die Strecke war mit 2.500 m Länge, 200 m länger als die Sundquerung.
- Am nächsten Tag haben wir in Altefähr bei der DLRG eine Angabe der Wassertemperatur von 14 °C gesehen. Dies könnte auch die WK-H2O-Temperatur gewesen sein.
- Die Veranstaltung ist nach einer 1 h 10 min abgebrochen worden. Es wurden von hinten beginnend alle Teilnehmer aus dem Wasser geholt. Ich war wahrscheinlich einer der letzten, die es betraf.
- Ca. 200 Schwimmer sind erst gar nicht angetreten. Mehrere Teilnehmer haben die Sicherheitsboje ausgelöst, welche jeder bei sich führte.
Mario Vales