von Leo Rohde
Fotos: Daniel Keller
Da war nun also: Der Ironman DD. Die leidvolle Vorgeschichte mit Absage des ursprünglich avisierten Termins und die damit einhergehende drastische Reduzierung der Starterzahlen von ~2500 auf eher ~600 ist hinlänglich ausgewälzt worden, aber nun war es tatsächlich soweit. Elbflorenz erlebt sein erstes Rennen unter der Flagge des großen roten M. Meine Rennen dieses Jahr waren bisher eher wechselhaft, aber ich hatte die letzten Wochen ein gutes Gefühl. Die Laufform war selbst mit recht wenigen km top, das Radfahren fühlte sich auch gut an und schwimmen…nun ja reden wir nicht drüber. Ich konnte die Strecke im Vorfeld mehrmals abfahren und auch beim Thema Energiezufuhr wusste ich besser was ich brauche als noch an der Müritz.
Ich ging daher recht zuversichtlich in die letzten Wochen und der einzig bange Blick ging ca. halbstündig während der letzten Woche auf die Wetterprognose. Diese weigerte sich allerdings beharrlich in meine gute Laune einzusteigen. Man konnte beim Blick auf 8-10°C und irgendwas zwischen viel und sehr viel Regen eher an ein Rennen im Hinterhof des frisch gekrönten Charles III denken als an einen spätsommerlichen Wettkampf unter dem Blick des goldenen Reiters.
Das Tapering ging dahin und es war Rennwochenende. Eingeläutet am Freitagabend von einem Athletenbankett, auf dem sich handgezählte 30 Leute in den Weiten des Kongresszentrums verirrten. Noch keine richtige Triathlonstimmung aber gut - mehr Pasta für mich. Nachdem ich noch 2-3 Auswärtigen den Tipp gegeben hatte, dass die ausgeschriebenen 500 so grob die Hälfte der real zu erwartenden Höhenmetern sein werden, fix wieder nach Hause.
Nach einem letzten Einrollen am Samstag ging es zum Rad Check in. Das Wetter war schon wechselhaft, aber zumindest wurde man beim Beutel aufhängen und Rad abstellen nicht nass. Noch sehr stümperhaft ein paar empfindliche Teile der Schaltung abgeklebt und mich beim Blick auf manche nahezu berstende T1 Beutel leicht irritiert gefragt was manche hier morgen nach dem Schwimmen alles anziehen wollen dann ging es zum abschließenden Carboloading.
Die Prognose hielt, was sie versprach, und der Sturm kam wie angekündigt. Die Motivation beim Blick früh um 5 in die Regenwolken war eher so semi, aber insgeheim dachte ich die ganze Zeit schon, dass ich mit Kälte vermutlich besser klarkomme als der größte Teil der restlichen Starter. Vor dem Start versuchten alle nur irgendwie halbwegs warm zu bleiben. Manche taten das, indem sie ihr Fahrrad holten und nach Hause gingen. Andere indem sie im Regen versuchten sich warmzulaufen. Wieder andere indem sie sich unter das viel zu kleine Wechselzelt quetschten. Schließlich ließ der Regen nach als die Profis auch schon ins Wasser stiegen. Die Strecke wurde offiziell auf 750m verkürzt. Die kälteste Phase war im Nachhinein wahrscheinlich tatsächlich das Warten bis man endlich ins Wasser konnte. Ich reihte mich wie üblich eher etwas weiter hinten ein. Das Schwimmen lief unspektakulär. Es war kalt, aber auszuhalten. Es war trübe, aber auch nicht schlimmer als in anderen Tümpeln und die Hafenmauern im Alberthafen machten die Orientierung leicht und die Kulisse durchaus beeindruckend. Lag aber vielleicht auch ein wenig an den tiefhängenden dunklen Wolken. Das Schwimmen war am Ende vielleicht 800m lang, sollte aber heut eine untergeordnete Rolle spielen.
Der 1.Wechsel dagegen wird mir in Erinnerung bleiben. Wie ich aus dem Wasser kam und die Reisverschlussstrippe griff, merkte ich wie sich da nur wenig bewegte. Nun gut dachte ich; die Finger steif und der Puls hoch, gehst du erstmal ins Zelt und versuchst es da nochmal. Auch beim 2., 3. und 4. Versuch den Reisverschluss zu öffnen, tat sich allerdings rein gar nichts. Nachdem auch der Kollege neben mir daran nichts ändern konnte, bin ich zum nächsten Volunteer zurück gestürzt, nur um zu hören, dass auch er ihn nicht aufbekommt. Nachdem ich schon leicht hektisch werdend nach Schere oder Messer gerufen habe, um mich hier irgendwie rauszuflexen, löste sich der Klemmer dann doch endlich. Mein möglicher Zeitvorteil auf Leute, die sich hier z.T. Weste, Jacke, lange Hose, Mütze, Handschuhe und Überschuhe angezogen haben, war dahin. Ich zog mir nur ein langes Trikot drüber und fuhr los.
Es regnete nur noch leicht, aber die Straßen waren alle komplett nass; daher war auch während des ganzen Tages in allen Kurven die Devise, nur kein Risiko einzugehen. Auf der ersten Runde hatte ich noch Gesellschaft und es lief insgesamt ok. Die Leistung war geringer als gedacht, aber ich fühlte mich gut. Die Verpflegung lief an diesem Tag wie sie sollte und es regnete nur wenig. Mir war nie kalt und ich hätte hier wahrscheinlich auch nur im Einteiler fahren können. Der Wind war kräftig, aber die nassen Straßen machten mir mehr Probleme. In der zweiten Runde sah ich andere Athleten fast nur noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das trug vermutlich nicht dazu bei, das Tempo hochzuhalten. Die finale Abfahrt den Elbhang hinunter war kein großer Spaß, insgesamt lief der Radteil jedoch zufriedenstellend für mich. Der Blick auf die Räder in T2 bestätigte, dass auch bei widrigen Bedingungen einige noch ein Stück schneller radeln konnten als ich.
Auch beim zweiten Wechsel ließ ich Zeit liegen, diesmal allerdings komplett selbst verschuldet. Um meinen T2 Beutel besser greifen zu können, hatte ich ihn etwas enger zugeschnürt. Weit genug um meine Schuhe rausholen zu können aber nicht weit genug, um meinen Helm hineinstecken zu können. Nachdem ich mehrfach vergeblich ihn durchzuquetschen, musste ich doch den Knoten auf fummeln. Leicht genervt von mir selber rannte ich los. Die Beine fühlten sich gut an und ich sammelte schnell die ersten Leute ein. Am ersten Kilometerschild signalisierte mir meine Garmin irgendwas unter 3.40 min/km und ich fragte mich kurz, ob das eigentlich mein Ernst war. Ich sah einige bekannte Gesichter an der Strecke und blieb einfach auf dem Gas. Die Kilometer flogen dahin und ich konnte meine Pace gut halten. Inzwischen war es fast schon sonnig, aber immer noch windig. Auf den Gegenwindpassagen blieb man gefühlt fast stehen, aber ich konnte weiter Leute einsammeln. Von meinem Vater, meiner Freundin, einigen Freunden und einem Kollegen bekam ich viele Zwischenzeiten und war nach der Hälfte in Richtung Platz 8 in der AK unterwegs. Etwas weiter nach vorn hatte ich heimlich geschielt, aber ich konzentrierte mich weiter auf mich. Ich kam energetisch gut durch, merkte aber bei km 17-18 langsam, dass es heute auch nicht weiter gehen durfte als bis km 21,1. Mich hatte auf der kompletten Laufstrecke niemand überholt, bis ich in den Zielkanal einbog. Ein etwaiges Grinsen auf dem Weg zur Semperoper lag mitnichten daran, dass ich noch so viel Spaß am Laufen hatte, sondern nur an dem Gedanken „So nicht Freundchen!“ als mich tatsächlich noch einer einkassieren wollte. Unser Zielsprint landete bei Ironman Europe auf der Instagram Story und es blieb dabei, dass mich auf der Laufstrecke niemand überholte.
Mit Platz 8 in der AK und 19 bei den AG overall konnte ich gut leben, auch wenn mit 1-2 Minuten weniger ohne den Wechselstress noch 2-3 Plätze in der AK drin gewesen wären. Ich ging am Abend noch zur Slotvergabe und nach einer scheinbar endlosen Siegerehrung und einem Rolldown der Slots in der AK über mir, als Till Schenk schon fragte ob denn in der AK 40 überhaupt noch jemand hier wäre, der einen Slot will, wurden schließlich 6 Plätze in meiner AK vergeben. Adam Ries würde sagen, dass Platz 8 damit 2 Plätze zu schlecht war und er würde weiterhin sagen, dass die 1.13 min die dahin fehlten, heut definitiv drin gewesen wären. Glücklicherweise wollten die ersten beiden nicht nach Finnland oder hatten ihren Slot schon anderswo bekommen und so konnte ich tatsächlich den letzten Platz für die 70.3 WM 2023 ergattern. Lahti, ich komme!
PS: An dieser Stelle hätte vor knapp 5 Monaten eigentlich schon der Bericht zu einem anderen unbedeutenden Rennen in der Wüste von Utah erscheinen sollen. In den trüben, triathlonarmen Monaten, die vor uns liegen, wird da hoffentlich noch was kommen.